Gegen die Wand
Thomas H. ist 53 Jahre alt und zu meiner Frage, woher er ursprünglich stamme, antwortet er in sympathisch-nonchalanter Manier: „Gebürtiger Wiener, hoiber Burgenländer, owa leibhofter Niederösterreicher“. Die frühe Kindheit verlief seiner Aussage nach „eigentlich ganz gut“, bis zur Einschulung lebte er mit seinen Eltern und zwei Brüdern in Dobersdorf, einem 500-Seelen-Dorf in der südburgenländischen Provinz. Dann nahm sein Vater einen Job in Wien-Liesing an und es folgte die Übersiedlung nach Mödling.
Nach der Pflichtschulzeit absolvierte er eine Lehre als Bauschlosser und übte den Beruf auch einige Jahre aus. Dass er einen stark alkoholabhängigen Vater hatte, war ihm lange Zeit nicht bewusst, erst im jungen Erwachsenenalter registrierte er dessen schwere Alkoholsucht. Das Zusammenleben und die familiäre Atmosphäre waren von nun an stark von Spannungen, Gewalt und Instabilität geprägt. Um der emotionalen Achterbahnfahrt und den ständig negativen Gefühlen zu entfliehen, begann auch Thomas seine Ängste und Sorgen in Alkohol zu ertränken. „Einfach nur mit den Freunden am Wochenende weggehen und versuchen so wenig wie möglich daheim zu sein, wenn der Vater da ist.“
Seinen Grant ließ der Vater meistens an der Mutter aus. Aus Loyalität und Liebe zu dieser, blieb Thomas aber schließlich doch bis Mitte zwanzig im Elternhaus. Irgendwann hielt er es dann einfach nicht mehr aus und lebte für einige Zeit in einer Höhle in einem nahegelegenen Waldstück. Die Mutter suchte er nur auf, wenn er sichergehen konnte, dass sein Vater nicht zu Hause war. Hie und da übernachtete er bei Freunden und Bekannten, die er durchs Fortgehen kennenlernte.
In dieser Zeit nahm sein Trinkverhalten enorm zu. An einem Abend wurde er mit einer lebensgefährlichen Vergiftung ins Krankenhaus eingeliefert: 6,5 Promille – einen solchen Blutalkoholwert können lediglich Alkoholiker im Endstadium erreichen, denn ein Wert von mehr als vier Promille gilt mit hoher Wahrscheinlichkeit als tödlich. Dass er diese Nacht überlebte, grenzt für ihn an ein Wunder.
Daraufhin versuchte er seine Sucht mit professioneller Hilfe zu therapieren, um abstinent zu werden. Später lernte er seine damalige Partnerin kennen und ließ sein „altes“ Leben in Wien zurück. Bei Emmaus dockte Thomas das erste Mal im Jahr 2012 an, als er und seine damalige Partnerin die Beziehung aufgrund seiner Handyspielsucht und der daraus resultierenden Wutausbrüche beendeten. Aktuell lebt er im Wohnheim in der Herzogenburgerstraße, in naher Zukunft möchte er aber wieder selbstständig wohnen. Sobald er sich in einer besseren psychischen Verfassung befindet, versucht er auch wieder einem geregelten Job nachzugehen, um sich diese eigene Wohnung finanzieren zu können.
Auch wenn sein bisheriges Leben ein ständiger Kampf war, hat er sich selbst nicht aufgegeben. „Trotzdem bin i z’frieden wie’s momentan so is.“